• Laufzeit02. Oktober 2014 - 31. Dezember 2014
  • OrtNeue Nationalgalerie
  • Die Ausstellung wurde ermöglicht durch die Freunde der Nationalgalerie.

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Foto: David von Becker

Mit 144 imposanten Baumstämmen verwandelt der britische Architekt David Chipperfield (geb. 1953) die offene Glashalle der Neuen Nationalgalerie für drei Monate in eine dicht gestellte Säulenhalle. Die Installation Sticks and Stones ist zugleich eine Auseinandersetzung mit der Architektur der Neuen Nationalgalerie und ein Prolog auf die denkmalgerechte Sanierung des Museums, die das Büro David Chipperfield Architects mit Beginn des Jahres 2015 durchführen wird.

Für den Titel seiner Intervention leiht sich David Chipperfield den eingängigen Anfang eines englischen Kinderreims: „Sticks and Stones [may break my bones, but words will never hurt me]“. Er verweist damit auf zwei Grundelemente der Neuen Nationalgalerie, aber auch der Architektur allgemein: die Stütze oder Säule und den Stein. So leichtfüßig der Titel daher kommt, so hintergründig ist diese letzte Sonderausstellung vor der Schließung des Hauses für mehrere Jahre.

Mit Sticks and Stones lenkt Chipperfield den Blick auf die spektakuläre Konstruktion des Museumsbaus, der 1965–1968 nach Plänen von Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969) errichtet wurde. Lediglich acht schlanke Stahlstützen tragen das monumentale Dach, das wie freischwebend wirkt, weil die Stützen weit von den Dachecken eingerückt sind. Die beiden mit Marmor verkleideten pfeilerartigen Installationsschächte im Inneren der Glashalle haben keine tragende Funktion.

Wie eine provisorische Stützkonstruktion nehmen die 144 entrindeten, gut acht Meter langen Fichtenstämme symbolisch das Gewicht des Daches auf. Sie fügen sich in das klare Raster ein, das Stahldecke, Granitfußboden und Gesamtproportionen der Neuen Nationalgalerie prägt. So lässt Chipperfields Installation innerhalb der modernen Stringenz des Mies-Baus ein neues Raumerlebnis entstehen. Sticks and Stones ist somit eine Verneigung vor dem großen Vorgänger Mies van der Rohe und zugleich eine Metapher für die kommende Baustelle.

Im Zusammenspiel von Offenheit und Dichte, Innen und Außen, Natur und Technik entsteht ein Assoziationsfeld, das in die Geschichte und Gegenwart der Weltarchitektur reicht und die Kulturgeschichte der Säule umkreist – von den Säulenhallen antiker Tempel über die Moschee von Córdoba (8. –10. Jh.) und Frank Lloyd Wrights pilzförmige Betonstützen beim Johnson Wax Building (1936–1939) bis hin zu Chipperfields eigenen Bauprojekten im 21. Jahrhundert. David Chipperfield hat sich durch seine vielfach preisgekrönte Sanierung und Erweiterung des Neuen Museums (1997–2009) nicht nur in Berlin einen Namen gemacht.

Die Säule ist ein Leitmotiv seiner jüngeren Entwürfe – sei es beim Literaturmuseum der Moderne in Marbach am Neckar (2002–2006) mit der Stützenhalle aus schlanken Betonsäulen, sei es bei der geplanten James-Simon-Galerie als Eingangsgebäude der Museumsinsel mit dem Kolonnadengang (2007–2017), oder jüngst bei dem Bürogebäude One Pancras Square in London (2008–2013) mit knapp 400 textil gemusterten Gusseisen-Säulen an der Fassade.

Inmitten des Stützenwaldes befindet sich eine „Lichtung“, ein 200 Quadratmeter großer Platz, wo verschiedene, interdisziplinäre Veranstaltungen stattfinden werden.

David Chipperfield & Alexander Schwarz für David Chipperfield Architects Berlin
Team David Chipperfield Architects: Thomas Benk, Martin Reichert, Ute Zscharnt
Fichten: François von Chappuis, Forst Hohen-Niendorf
Aufbau: Thomas Lucker (Restaurierung am Oberbaum)