Preis der Nationalgalerie für junge Kunst 2013 – Preisträgerin
Laufzeit20. September 2014 - 01. März 2015
OrtHamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart
Das Projekt wird unterstützt durch die Volkswagen Aktiengesellschaft und ermöglicht durch die FREUNDE der Nationalgalerie.
Shortlist: x
Preisträgerin: Marianna Castillo Deball (geboren 1975 in Mexico City, lebt und arbeitet in Berlin)
Die mexikanische Künstlerin Mariana Castillo Deball verschränkt Kunst und Forschung eng ineinander. Im Zentrum ihrer künstlerischen Arbeiten stehen oft archäologische Fundstücke, die die Künstlerin in ihrer kulturellen Verwertung analysiert und vorstellt. Gebrauchsspuren der Dinge rücken dabei ebenso ins Zentrum wie eigene, freie Assoziationen zur Geschichte der aufgefundenen oder bereits archivierten Gegenstände. Aus diesem Prozess der Dekonstruktion entstehen Arbeiten in ganz unterschiedlichen Medien, wie Zeichnung, Film, Skulptur, Installation und Performance, mit denen Castillo Deball die Möglichkeiten der künstlerischen Darstellung beträchtlich erweitert.
Parergon
Mariana Castillo Deball zeigte vom 20. September 2014 bis zum 1. März 2015 ein eigens für ihre Einzelausstellung „Parergon“ entwickeltes Projekt in der Historischen Halle des Hamburger Bahnhofs. Die raumgreifende Installation vereinte verschiedene künstlerische Überlegungen an der Schnittstelle zwischen historischer Forschung, Philosophie und Kunst, die für das Werk von Mariana Castillo Deball ausschlaggebend sind. Für ihre Arbeiten eignet sie sich gezielt Themenfelder an und überführt den gewachsenen Forschungsprozess, an Methoden der Archäologie, Ethnografie und Wissenschaftsgeschichte erinnernd, in eine zeitgenössische künstlerische Formensprache. Vergessenes wird in neue Zusammenhänge gestellt, um erfahrbare Bilder und alternative Lesarten entstehen zu lassen.
Für die Schau im Hamburger Bahnhof widmete sich die Künstlerin den „Biografien von Dingen“. Ihr Augenmerk richtete sie dabei auf museale Sammlungsobjekte, die nicht selten „wandernd zwischen Hinterhöfen, Kellern, Sockeln, Vitrinen, Museen, Wanderausstellungen und privaten Sammlungen ein unbeständiges Leben hatten“ (Mariana Castillo Deball).
Im Zentrum der Präsentation standen Gegenstände und Kunstwerke aus verschiedenen Berliner Museen, vor allem aber solche, die mit der Sammlung der Nationalgalerie zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Verbindung standen. Wie der Titel der Ausstellung „Parergon“ (Beiwerk, Nebenwerk) nahe legt, wurde die Geschichte der Sammlungen, ihrer Bauten, Exponate und Protagonisten insbesondere hinsichtlich ihrer Migrationen und Neuordnungen untersucht und entschlüsselt. Besonderes Augenmerk legte Castillo Deball dabei auf Zusammenhänge, die sich außerhalb des Rahmens des Bekannten und des Eindeutigen abspielen.
Welchen Einfluss die Institution Museum und ihre Vertreter auf das Leben und den Status der Objekte haben, ist eine leitende Frage für die Betrachtungen der Künstlerin. Gegenstand der Installation waren weniger die faktischen Ergebnisse des stark recherchebasierten Projekts. Vielmehr ging es darum, eine sinnlich erfahrbare Situation zu entwickeln, in der die Künstlerin eigene, neu entwickelte Arbeiten mit historischen Ausstellungsstücken verbindet. Neue Narrationen und Querverbindungen, die zwischen den verschiedenen Objekten, historischen Einschnitten und zufälligen Geschehnissen entstehen, liefern Mariana Castillo Deball das Material für ihre eigenen künstlerischen Interventionen. Sie „möchte eine Art Oper schaffen, in der ein Repertoire aus Objekten, Gebäuden und architektonischen Rekonstruktionen als Hauptcharaktere auftreten“ (Mariana Castillo Deball). Diese verschiedenen Charaktere erzählen ein „Bühnenstück“ im Museum, in dem ihre in der Vergangenheit begangenen Wege und gelebten Abenteuer die Dramaturgie der Ausstellung bestimmen.
Als weitere Ebene ihrer Oper hat die Künstlerin ein Hörstück realisiert, das dem Besucher in Form eines Audioguides Einblicke in den vorausgegangenen Rechercheprozess ermöglichte. Hier kamen Stimmen von Spezialisten, Zeitzeugen und fiktiven Figuren zur Sprache, die sehr individuelle Sichtweisen und Erfahrungen mit den Besuchern teilten, die in Zusammenhang mit der komplexen Geschichte des Hamburger Bahnhofs, der Sammlung der Nationalgalerie und der in der Ausstellung gezeigten Exponate stehen.