Christoph Schlingensief
Deutschland versenken
Künstler/in
Christoph Schlingensief
Titel
Deutschland versenken
Entstehungsjahr
1999
Technik und Abmessung
Video (Original 35mm - Zeitraffer - digitalisiert in 4K), 1min 28 sec, Ed.1 von 3.
Erwerbungsjahr
2025
Erwerbung der FREUNDE der Nationalgalerie, Schenkung Aino Laberenz
1999 wurde Christoph Schlingensief (1960–2010) vom MoMA PS1 nach New York eingeladen und inszenierte an der Freiheitsstatue die Aktion Deutschland versenken. Das mit Absicht gewählte Datum für die Aktion, der 9. November 1999, wurde als Verweis auf bedeutende historische Ereignisse in Deutschland gedacht, etwa die Pogromnacht (1938) und den Fall der Berliner Mauer (1989). Schlingensief führte eine rituelle Performance oder in seinen Worten eher eine „Aktion“ durch, bei der er vor der Freiheitsstatue niederkniete und damit an den historischen Kniefall des ehemaligen deutschen Kanzlers Willy Brandt in Warschau erinnerte. Im Anschluss warf er eine Urne mit der symbolischen „Asche Deutschlands“ sowie einen mit 99 deutschen Alltagsgegenständen gefüllten Koffer in den Hudson River und markierte damit kurz vor Beginn der Jahrtausendwende das sinnbildliche Ende Deutschlands
Das Werk Deutschland versenken zeigt Schlingensief in den Straßen von New York mit einem Schild in der Hand. Damit steht er mal vor der berühmten Treppe des Metropolitan Museum of Art, mal auf dem geschäftigen Times Square und mal vor dem New Yorker Goethe-Institut. Das Werk ist Teil seines umfassenden Projekts Deutschlandsuche '99, dessen erste Teile aus einer Theatertour durch diverse deutsche Städte bestehen. Mit diesem von der Wagner-Oper Der Ring des Nibelungen inspirierten Projekt strebt er nach einer modernen Version des Siegfried, einem Helden für ein wiedervereinigtes, globalisiertes Deutschland. Das Ende des 20. Jahrhunderts war von einem Anstieg rechter Tendenzen in Deutschland geprägt, was Schlingensief dazu bewegte, die nationale Identität im Kontext der faschistischen Vergangenheit des Landes zu hinterfragen Der letzte Akt fand in der Wüste Namibias statt, wo er ein letztes Mal Wagners Musik durch die Überreste des deutschen Kolonialismus hallen ließ.
Christoph Schlingensiefs Arbeit umfasst eine Vielzahl von Medien, darunter Film, Theater, Oper, Fernsehen sowie Konzeptkunst, Installation und Performance. Bekannt wurde Schlingensief für seine grenzüberschreitende künstlerische Herangehensweise, bei der sich Schockwirkung oftmals mit tiefsinnigen politischen Kommentaren verband. In seinen Arbeiten beschäftigte er sich mit Themen wie Nationalismus, Identität und den Schattenseiten der deutschen Geschichte. Dabei hinterfragte er stets gesellschaftliche Normen und kulturelle Selbstgefälligkeit. Sein Ansatz war darüber hinaus zutiefst verwoben mit ethischen und moralischen Belangen, mit denen er sich auch in szenischen Büchern zu Themen wie Tod, Krankheit, Ausgrenzung und Glaube auseinandersetzte.

Bildquellen
- W-Schlingensief_Deutschland99_Times_Square: Christoph Schlingensief am Times Square / Filmstill aus Deutschland versenken, 9. November 1999 / Courtesy Filmgalerie 451, Nachlass Christoph Schlingensief, Berlin