• Künstler/inEmil Nolde
  • TitelDie Sünderin
  • Entstehungsjahr1926
  • GattungMalerei
  • Technik und AbmessungÖl auf Leinwand, 86 x 106 cm
  • Erwerbungsjahr1999
  • Erworben mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Stiftung Deutsche Klassenlotterie, Berlin, für das Land Berlin.
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Religiöse Themen nehmen – vom frühen Abendmahl, 1909, über das neunteilige Leben Christi, 1911-12, bis zum späten Gemälde Jesus und die Schriftgelehrten, 1951 – einen zentralen Platz im Schaffen des Malers ein. Martin Urbans OEuvrekatalog weist 1 Gemälde diese „biblischen und Legendenbilder“ aus. Unter den 20 Gemälden des Jahres 1926 sind allein fünf mit religiöser Thematik, darunter Die Sünderin. Vorbereitet durch eine Radierung von 1911 malte Nolde Die Sünderin vermutlich im Herbst 1926 in sienem Berliner Atelier in der Tauentzienstraße 8 „auf selbst grundiertem starkem Segeltuch (…) mit reinen, nur wenig gemischten Farben“ (Emil Nolde).

Im Evangelium des Lukas (7/46-48,50) heißt es zur Begegnung zwischen Chritus und der Sünderin: „Sie aber hat meine Füße mit Salbe gesalbt. Deshalb sage ich: Ihr sind viele Sünden vergeben. Darum hat sie mir viel Liebe erzeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig. Und er sprach zu ihr: Dir sind deine Sünden vergeben. (…) Dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin in Frieden.“

Emil Nolde aber gibt in seinem Gemälde nicht die Illustration der biblischen Legende, sondern die freie Paraphrase der neutestamentarischen Geschichte, der der Maler die beiden Pharisäer hinzugesellt. Eine streng flächenbezogene, geschlossene Komposition mit vier Augen im Anschnitt und im harten Kontur, drei davon im Profil. Vorn zurücksinkend und ins Bodenlose fallend die Sünderin mit ihrer um Vergebung heischenden Gebärde. Nackt und bloß, erloschen ihr Auge, fleckiges Rot auf den Wangen. Der Gliederpuppe nahe, fahles Gelbgrün des Leibes, das wie Herbstlaub des Lebens welkt. In ihrer Hilflosigkeit ist sie alles in einer Person: die Eva aus dem Sündenfall, die Ehebrecherin und die wohlfeile Dirne Maria Magdalena, das „gefallene Mädchen“.

Christus erscheint als einfühlsamer Mensch unter Menschen, der als Helfer in der Not vergeben kann. An ihrer Seite der Mann mit dem rot flammenden Bart, der Anteilnahme am Vorgang zeigt, und am Rande die finstere Gestalt des schwarzbärtigen Pharisäers, der Gegenspiel von Christus im Schattenreich, der abweisende Richter, der nichts vergeben kann und will. Das Licht der Hoffnung und Harmonie scheint vom wie Gold schimmernden Grund herauf und beherrscht die gleißende Aura des im Schmelzfluss der Farben gemalten Bildes: „Gelb kann Glück malen und auch Schmerz“ (Emil Nolde). Menschliches Dasein ist hier auf den Prüfstand von Schuld, Sühne und Auferstehung gestellt.

Ludwig Justi erwarb Die Sünderin als Ikone des religiösen Expressionismus 1929 für seine legendäre Sammlung der Nationalgalerie im Kronprinzen- Palais. Mit der Ausstellung „Entartete Kunst“ wanderte das Bild 1937/38 als „Hexenspuk“ und „Teufelsfratze“ bis nach Salzburg. 1939 erwarb es Noldes Freund Hans Fehr auf der Auktion der Galerie Fischer in Luzern, Jahre später gelangte Die Sünderin in eine rheinische Privatsammlung.

Roland März