• Künstler/inErnst Ludwig Kirchner
  • TitelPortrait Erna Schilling (Kranke Frau / Dame mit Hut)
  • Entstehungsjahr1913
  • GattungMalerei
  • Technik und AbmessungÖl auf Leinwand, 71,5 x 60,5 cm
  • Erwerbungsjahr1989
  • Bez. links oben: EL Kirchner | 1998 erworben mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Im Oktober 1911 übersiedelte Ernst Ludwig Kirchner aus der sächsischen Residenz Dresden in die Reichshauptstatdt Berlin. In einem Tingeltangel-Lokal lernte er die beiden aus einfachen Verhältnissen stammenden Schwestern Erna und Gerda Schilling kennen, die als Nachtklubtänzerinnen auftraten und gelegentlich der Prostitution nachgingen. Der Maler holte Erna aus diesem Milieu, er fand in ihr nicht nur die Geliebte und das Modell für die Kunst, sondern die lang ersehnte „freie Kameradschaft mit der Frau“.

Das Porträt entstand 1913 in einer Situation der Krankheit und melancholischen Gestimmtheit von Erna Schilling, die Kirchner als nervöses, in sich gekehrtes „Großstadtgewächs“ vor einer Wandbespannung in seinem Atelier in Szene setzte: „Umschlossen von einer blauen Farbform vor purpurviolettem Grund erscheint Erna Schilling mit ihrem extravaganten Hut als Vertreterin großstädtischer Eleganz. Durch die vibrierend spitzigen Formen wie im gelblichen Inkarnat mit violettgrauen Schatten werden Sensibilität und Reizbarkeit anschaulich. Der nervöse Pinselduktus wie auch die intensive Farbigkeit, die erstmals den reifen Stil von Kirchners Großstadtbildern erkennen lassen, verwandeln dieses Bildnis einer ebenso selbstbewußten wie skeptisch distanzierten Frau zum koloristischen Psychogramm eines expressionistischen Menschenbildes am Vorabend des Ersten Weltkrieges.“ (Peter-Klaus Schuster, 1992).

Das psychologisch eindringliche Porträt der Erna Schilling, in dem sich sowohl das Individuelle als auch das Typische der Großstädterin spiegelt, steht in seinem spröden Habitus des Dargestellten und seiner koloristischen Delikatesse in engem, vorbereitendem Zusammenhang mit den beiden Kokotten in Kirchners Krönungsbild der Berliner Straßenszenen Potsdamer Platz, 1914 (im Besitz der Nationalgalerie), für die Erna und Gerda Schilling Modell gestanden haben.

Erna Schilling blieb auch späterhin die treu sorgende, unverheiratete Lebensgefährtin an der Seite Kirchners, sie starb am 4. Oktober 1945 im Alter von 61 Jahren in Davos.

Das Portät der Erna Schilling, das Kirchner besonders schätzte, erwarb 1916 der Sammler Dr. Carl Hagemann, Frankfurt am Main, direkt vom Künstler. Es gelangte 1946 aus dem Nachlass Hagemanns in die Sammlung von Karlheinz Gabler, aus dessen Nachlass es 1989 erworben werden konnte.

Roland März