Im kunsttheoretischen Dialog mit Mondrian und in der Auseinandersetzung mit dem „Tragischen“ (Gottlieb, Rothko) und der Aktionsmalerei (Pollock) in der zeitgenössischen amerikanischen Kunst entstanden 1966 die I. Fassung, 1967 die II. Fassung, 1966/67 die III. Fassung und 1969/70 die IV. und letzte Fassung der Bildfolge „Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau“, die Barnett Newman vor seinem Tod 1970 vollendete.
Diese „Big Canvas“ wirkten in den 60er Jahren vorbildlich vor allem auf die Malerei von Donald Judd und Frank Stella ein. Zu seinem fundamentalen Farbfeld-Problem „Rot, Gelb und Blau“ resümierte der Maler 1969: „Ich begann dieses Bild, mein erstes in der Serie Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue als ein ‚erstes Bild‘, unvorbereitet. Ich hatte den Wunsch, dass das Bild asymmetrisch sein sollte und einen Raum bildet, der sich von jedem, den ich je geschaffen hatte, unterscheidet, eine Art ‚off-balance‘. Es war kurz nachdem ich den roten Hauptkörper aufgebaut hatte, als das Farbproblem entscheidend wurde, nur die Farben Gelb und Blau möglich waren. – In diesem Moment realisierte ich, dass ich dem Dogma gegenüberstand, dass Farbe auf die Primärkonstellation reduziert werden muss. Wie ich anderen dogmatischen Positionen der Puristen, Neoplastizisten und anderen Formalisten entgegentrat, war ich nun in Konfrontation mit ihrem Dogma, welches Rot, Gelb und Blau mit einer Hypothek belasteten, in dem sie diese Farben in eine Idee transformierten und sie dadurch als Farben zerstörten? Ich hatte dehalb den doppelten Anreiz, gerade diese Farben zu verwenden, um meine Absichten auszudrücken, sie mehr expressiv als didaktisch einzusetzen und sie von ihrer Hypothek zu befreien. Warum sollte irgend jemand Angst haben vor Rot, Gelb und Blau?“
Im Laufe weniger Jahre wechselte Newman nicht nur vom Hoch- zum Querformat der Leinwände, er steigerte auch deren Ausmaße ins nahezu Gigantische. In der großen Berliner Fassung mit ihren unübertroffenen Ausmaßen von 274,3 x 604,5 cm entschied sich Newman für eine kompositionelle Grundstruktur, in die er ein schmales senkrechtes, tiefblaues Band in der Mitte zwischen ein rotes und gelbes Quadrat einspannte. Dieses dunkle Lot, auch „Zip“ genannt, teilt, öffnet und verklammert die daneben liegenden, gleich großen farbigen Quadrate in Rot und Gelb auf der rahmenlosen Bildfläche. Newmans Farbauftrag meidet dabei jede malerische Pinselspur, in Schichten wurden die deckenden Acrylfarben aufgetragen, so dass schließlich eine völlig homogene Oberfläche entstand, die sich bei wechselndem Licht auch im „Überstrahlen“ der drei luminiszierenden Farben Gelb und Rot ständig verändert. Gelb und Blau bestehen aus einer Farbschicht, das Rot hingegen aus 17 übereinanderliegenden Schichten, um die Gegensätze wie die Harmonie der Farbflächen untereinander zu verschärfen.