„Die apartesten, gepflegtesten und auch die schönsten Frauen, die mir bei meinen wechselnden Aufenthalten in Europa begegneten, waren die Berlinerinnen“ – so hat der Maler Christian Schad den Typus der Berlinerin gesehen und mit den Porträts der „Lotte“ (Sprengel Museum Hannover) und der „Sonja“ im Jahre 1928 in unvergleichlicher Noblesse auch gemalt.
Sonja, die Sekretärin, verkehrte im berühmten Künstler- und Literatentreff des „Romanischen Cafés“ an der Gedächtniskirche, das auch die Kulisse für ihr Porträt bildet. Die „Großaufnahme“ einer emanzipierten Berliner Angestellten, die sich schick gemacht hat in ihrem schwarzen Hängerkleidchen mit Seidenschal, am Oberarm Haut schimmern lässt, die Beine lässig übereinander geschlagen, die Zigarettenspitze in der grazilen Hand, „Camel“ ist up to date.
Ein Frauenantlitz, herb, streng und knabenhaft schön: schwarzbrauner Bubikopf mit schmachtender, in die Stirn fallender Locke, über den großen, verschatteten Augen die Schwingung scharf ausradierer Augenbrauen. Neben dem phallischen Flaschenhals an Sonjas Schulter eine aufgeblätterte, rosafarbene Kamelie aus Seide, eine Andeutung erotischen Flairs. Hinter der melancholisch hellwachen Schönen der Nacht sitzen zwei Männer. Der nur angeschnittene Glatzkopf ist der Dichter Max-Herrmann Neisse, eine „nosferatu“-hafte Gestalt mit bizarrem Fledermausohr. Mit ihm „ist in diesem Bild Sonja der Hinweis auf ein Lokal mit etwas literarischer Atmosphäre gegeben – und damit auf den Kreis, in dem die ‚andere‘ Berlinerin sich zu Hause fühlte.“ (Christian Schad).