Der Hamburger Bahnhof hat eine neue Skulptur, sie hat mehr, sie hat einen neuen Eingang gewonnen. Michael Elmgreen und Ingar Dragset haben die Skulptur zusammen konzipiert, so wie sie seit 1995 alle künstlerischen Konzepte zusammen ausarbeiten. Sie waren 2002 Preisträger des Preises der Nationalgalerie. Der Preis ist mit einem Ankauf verbunden.
Diese Arbeit trägt den Titel „Elevated Gallery“, und man sieht es sofort, diese Galerie steht nicht fest auf dem Boden, sie schwebt in der Luft und ist aus dem Gleichgewicht geraten. Zwei schwarze Ballone verankern gleichsam das Kunstwerk an der Decke fest, es könnte auch, wenn sich die Decke öffnete, in die Welt hinaus fliegen. Frei schwebend den Luftraum möblieren.
Zunächst handelt es sich um einen Innen und Außenraum, ein Zwitterding zwischen Architektur und Skulptur. Es stellt eine Kunstgalerie dar mit Ausstellungsraum und Besprechungszimmer. Wir erkennen in einem Raum den Arne Jacobsen Stuhl, der bis heute als „absolut Modern“ gilt. Auch der schlichte, weiße Raum der „White Cube“ ist modern, klassisch. Galerien in denen mit Kunst gehandelt wird, die den Kreislauf Künstler, Galerist, private Sammlung und Museum erst ermöglichen, haben sich international auf diese „moderne“ Form der Präsentation eingeschworen.
Dragset und Elmgreen haben für die historische Halle im Hamburger Bahnhof, die ganz und gar nichts von einem “White Cube“ hat, eine Arbeit produziert, die sich mit den „Orten der Kunst“ beschäftigt. Sie zeigen wie Kunst präsentiert, gehandelt, archiviert und betrachtet werden soll und welche unterschiedlichen Ansprüche an die Kunst damit jeweils verbunden werden: Sie kann Kulturgut, Investitions- und Spekulationsobjekt sein, ästhetische, dekorative oder imagefördernde Aufgaben erfüllen.
Funktion, Wahrnehmung und Interpretation eines Kunstwerks sind dabei keineswegs unveränderliche Werte, sondern dem jeweiligen Kontext unterworfen, in dem das Werk auftritt. Hier hängt es im Museum, vor den hochgehandelten Größen des Kunstmarktes und Kunstwerken, die ein „must“ in jeder mittleren und großen Museumssammlung darstellen, wie Anselm Kiefer, Richard Long, Mario Merz, Sol Lewitt und Don Judd. Sie bilden hier in gewisser Weise das Rückgrat. Sie bieten aber nicht nur die Folie eines Marktes, sie stehen auch für einen Qualitätskonsenz. Sie sind hier an diesem Ort auch ausgestellt, weil sich das öffentliche Museum und eine private Sammlung verbunden haben.
Und schon Marcel Duchamp hatte 1917 die Autorität und die Kompetenz des Museums bzw. der offiziellen Ausstellungsinstitutionen einer kritischen Nachfrage unterzogen. Damit war die Frage nach dem Kontext und seiner Funktion auch für die Kontextualisierung des Kunstwerkes aufgeworfen und sollte auf unterschiedlichen Ebenen zu einem zentralen Kritikpunkt künstlerischer Praxis im 20. Jahrhundert werden. Diese Vorgaben und Bedingungen des Ausstellungsortes finden eine fast zwangsläufige Berücksichtigung bei allen künstlerischen Installationen.
So haben Elmgreen und Dragset die Räume offenliegend, einsehbar gelassen. Kein Boden, keine Decke. Sie thematisieren den Präsentationsraum selbst, indem sie ihre Struktur offenlegen und reflektieren die institutionellen Rahmenbedingungen, der die Präsentation und der Handel mit Kunst unterworfen sind.
Indem es schräg und scheinbar instabil hängt, erweist sich der Betrieb mit der Kunst als überaus schnellebiges und instabiles System, das so ganz im Gegensatz zu seinen Anstrengungen steht, mit Kunst eine Ware zu produzieren und zu vertreiben, die als Kulturgut einen Anspruch auf dauerhafte Gültigkeit erheben will. Die Argumentation der klassischen Kunsthistoriker hat sich vielleicht ad ab ursum geführt, wo das Museum eine Kompetenz ist, die es zur Entscheidungsinstanz über Kunst und Nicht-Kunst werden ließ.
Durch die Auswahl der Werke, die es in seine Sammlung aufnimmt, bot es bisher Orientierungshilfen und ästhetische Vorbilder, an denen das Publikum sein eigenes Qualitäts- und Geschmacksurteil schulen und fortbilden konnte. Als im Regelfall öffentliches Institut, hatte das Museum lange Zeit die staatliche Autorität in künstlerischen Fragestellungen.
Das hat sich seit Jahrzehnten relativiert, durch eine Vielzahl konkurrierender Unternehmungen und Institutionen und sicher sind abweichende Wertmaßstäbe Ausdruck moderner demokratischer Gesellschaften, in denen das Museum nur noch ein Angebot unterbreitet, mehr nicht mehr und deshalb stecken wir mit unseren institutionellen Problemen mitten in einer Durchgangssituation, die viele Symposien und Aufsätze hervorbringt, wobei es nicht nur um Fragen der schwachen finanziellen Ausstattung geht.