• Künstler/inHermann Pitz
  • TitelWedding Therese
  • Entstehungsjahr1984
  • GattungInstallation
  • Technik und AbmessungObjekt-Installation, ca. 250 x 480 x 340 cm
  • Erwerbungsjahr2000

© Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Thomas Bruns / © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Zwischen 1978 und 1987 realisierten die Gründer des „Büro Berlin“, Raimund Kummer, Hermann Pitz und Fritz Rahmann, gemeinsam mit Künstlerkollegen Projekte und Ausstellungen an ausgewählten Orten in West-Berlin. In leerstehenden Häusern und im öffentlichen Raum, im Theater und im Ausstellungsraum wurden raum- und situationsbezogene künstlerische Eingriffe vorgenommen, die sich auszeichneten durch „permanente Reflexion auf den Kontext, für den und in dem das Kunstwerk entstand: Reflexion auf den Ort, Reflexion auf den temporären Charakter der Arbeit, Reflexion auf die Produktionsbedingungen von Kunst und den Produktionsbegriff.“ Im Rahmen dieser Aktivitäten realisierte Hermann Pitz 1982 die Arbeit Restauration des Gesellschaftsraums von BÜRO BERLIN in einem zum Abriss vorgesehenen Haus in Berlin-Kreuzberg. Auf einer mit Tapete versehenen Wand stellte er einem realen Fenster und einer verglasten Tür einen fotografierten Fensterdurchblick an die Seite. Zwei Jahre später nutzte er das Fensterelement erneut, in einer anderen Situation, indem er es im Rahmen einer Ausstellung in Berlin-Wedding auf ein Stück künstlichen Mauerwerks setzte. Zusammen mit zwei über Eck gestellten tapezierten Wandstücken, einem mit Teppichboden und Fußleisten ausgestatteten Fußbodenfragment und einem drapierten schwarzen Stoff wird es damit, beleuchtet von einem Scheinwerfer und abgestützt mit Eisenstangen, Teil einer kulissenhaften Installation. Diesen Aufbau variierte der Künstler mehrfach, indem er unterschiedliche kleine Gegenstände auf dem Fußboden platzierte, die Wandelemente separierte oder eine hölzerne Jalousie hinzufügte. Tritt man nah an das Fenster heran, meint man, in eine leerstehende Wohnung zu blicken, während der Aufbau aus der Distanz heraus an ein Filmset denken lässt. Das Fenster bildet dabei die Grenze zwischen realem und fiktivem Raum, zwischen Realität und Bild: „Ich beobachte, daß die durch ein Fenster hindurch wahrgenommenen Gegenstände auch gleichzeitig wie ein Bild (…) erscheinen. Das liegt daran, daß die Dekoration hinter dem Glas auch als Projektion auf das Fensterglas erfahren werden kann. Es ist der umgekehrte Effekt der Filmprojektion, die uns das Gefühl gibt, mit dem Blick auf die Filmleinwand auch in einen ‚illusorischen’ Raum zu blicken. Das Fensterglas ist also die Bildebene.“ Somit lädt die Arbeit von Hermann Pitz dazu ein, über die Mechanismen der Wahrnehmung zu reflektieren und über die Fabrikation von Fiktionen – etwa Geschichten über das Leben von Therese.

Gabriele Knapstein