Michael Kunze (geb. 1961 in München) kreiert in seiner Malerei Metawelten auf der Basis von vielschichtigen Bezügen aus Philosophie, Film, Literatur, Kunst- und Kulturgeschichte. Die utopisch wirkenden Szenerien erinnern formal einerseits an eine künstlerische Sprache vergangener Epochen, wie die der Renaissance oder avantgardistischer Strömungen der klassischen Moderne. Gleichzeitig zitieren die apokalyptischen Landschaften und architektonischen Collagen in Michael Kunzes Bildern auch eine sehr zeitgenössische, futuristisch wirkende Cyber-Ästhetik virtueller Computerspiel-Kulissen. Kunze, der vor seinem Studium an der Münchener Kunstakademie Musikwissenschaft und Kunstgeschichte studiert hat, wirft mit seinen Arbeiten einen überprüfenden Blick auf die Paradigmen der Moderne und der proklamierten Alleinstellungsmerkmale, für die die künstlerische Produktion in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts steht.
So auch in der Arbeit „Tag der geschlossenen Tür / Patusan“ von 2012, für die der 1900 entstandene Roman „Lord Jim“ von Joseph Conrad eine klare interdisziplinäre Referenz darstellt. Conrad erzählt hier die Geschichte des Antihelden Lord Jim, der als Matrose während eines Schiffbruchs beschließt, mit dem Kapitän sein eigenes Leben zu retten, anstatt dem Rest der Besatzung Hilfe zu leisten. Die beiden Schiffbrüchigen stranden an der Küste der fiktiven Insel Patusan im Ostindischen Raum, auf der Lord Jim schließlich, trotz intensiver Bemühungen von der eingeborenen Bevölkerung aufgenommen zu werden, von dieser umgebracht wird. Das moralische Dilemma des Individuums in einer modernen Gesellschaft und der blinde Fleck der europäischen Kolonialgeschichte, werden in dieser labyrinthischen Erzählung kritisch hinterfragt.