Walid Raad gründete in den späten 1990er-Jahren in Beirut das fiktive Kollektiv The Atlas Group. Die in diesem Zusammenhang entstandenen Werke beschäftigen sich mit dem Libanesischen Bürgerkrieg von 1975 bis 1990/1991 und seinen Folgen, mit Erinnerung und Trauma, mit Krieg und Normalität und mit Autorschaft und Wahrheit.
The Fakhouri File, das umfangreiche Archiv des gleichfalls fiktiven, berühmten libanesischen Historikers Dr. Fadl Fakhouri, umfasst neben zwei Super-8-Kurzfilmen, Videobändern und Fotografien 226 Notizbücher mit Texten und Collagen, die als audiovisuelle, literarische oder fotografische Dokumente verstanden werden wollen. Eines der Notizbücher, die als Serie gerahmt ausgestellt werden, trägt die Nummer 72 und den Titel Missing Lebanese wars. In dieser Arbeit, die wie die anderen von einem Text begleitet wird, geht es um die Glaubwürdigkeit von Bildern. Dr. Fakhouri berichtet darin vom Zeitvertreib libanesischer Historiker, bei sonntäglichen Pferderennen nicht etwa auf das Siegerpferd zu wetten, sondern darauf zu tippen, um wie viele Sekundenbruchteile der exakte Moment des Pferdes auf der Ziellinie vom Fotografen verfehlt wird. Jede Seite dokumentiert die Wetten der Teilnehmer, die Ergebnisse und das Foto des Siegerpferdes aus der Ausgabe einer Beiruter Tageszeitung vom Folgetag. In Bleistift ergänzt Fakhouri einen Kommentar zum Charakter des jeweiligen Gewinners der Wette, zum Beispiel: „Er ist nicht einfach unglücklich, er ist genial darin. Kein Anlass ist zu trivial, in ihm eine Ekstase der Selbst-Kasteiung zu entfachen.“