Günter Weseler
Atemobjekt, Teppich, 1980

Künstler/in
Günter Weseler

Titel
Atemobjekt, Teppich

Entstehungsjahr
1980

Technik und Abmessung
Teppich, Kaninchenfell, Motor, 160 x 115 x 12 cm

Erwerbungsjahr
2011

Erwerbung der Stiftung

Das Arbeiten mit den Atemobjekten, das Verändern von Zusammenhängen in bezug auf Lage, Ort und Situation zeigte mir dann bald, dass sich ihr Charakter völlig verändern konnte, dass die Objekte zu grundsätzlichen Symbolfiguren für bestimmte Lebenssituationen oder gewisse Ängste wurden.

Auch, dass sie gleichzeitig ihre Umgebung verändern: Kienholz monierte ein Atemobjekt in die Ecke in seinem Bordell-Environment.

Ich habe diese Erfahrungen damals folgendermaßen notiert: „Eigentlich war das Gitter des Kinderbettes nur als Schutz gedacht, damit sich niemand auf das liegende atmende Wesen setzt …, aber dabei entdeckte ich, dass das Objekt plötzlich einen ganz anderen Charakter annahm:

Etwas ganz unziemlich Bedrohliches, Gewalttätiges ging von ihm aus …“ - Es war die Entdeckung, dass Atemobjekte sich wesentlich verändern je nach dem Ort, an dem sie sich befinden.
Objekte, die mitten auf der Wand verhältnismäßig abstrakt, allenfalls „submarin“ sind, scheinen, auf einer Kante sitzend, beflügelt; und leicht erschreckbar flattern sie vielleicht gleich wieder davon. In der Ecke oder im Winkle sind sie häuslich verborgen, manchmal etwas lauernd, auf einem Baumstamm hockend werden sie zu Parasiten, auf dem menschlichen Körper, wo möglich am Hals, können sie Entsetzen verbreiten wie eine böse Geschwulst.

Atemobjekte in Verbindung mit Faltungen, in z.T alten kostbaren Teppichen, mitunter rissig und verschlissen, werden zu Symbolen der Vergänglichkeit (nothing can exist without its opposite). (Oslo)

In einer Ausstellung meiner Arbeiten im Museum Wiesbaden kommentierte ein Kunsthistoriker: „ Die Innere materielle Morschheit des ganzen Museumsbestandes ließ sich durch nichts besser aufzeigen als durch diese von Wucherungen befallenen Teppiche und Gobelins …“

Dabei wird die Vieldeutigkeit keineswegs eingeschränkt, sondern sie gewinnen an Rätselhaftigkeit, da eine Komponente auftritt, die dem durch die Bewegungsform erzeugten Charakter eher entgegengesetzt ist. Die ursprünglich „allgemeinen Metaphern organischen Lebens“ werden jetzt zu Metaphern des parasitären Wuchernden oder des gefangen Leidenden (im Käfig) oder des gewalttätig Usurpierenden (Kinderbett) etc. Die Gegenstände, der Ort, der Raum werden Teil einer Aussage.

Es gab sich mir mit den Atemobjekten die Möglichkeit, eine Vielfalt von Umwelterfahrungen und -problemen künstlerisch zu formulieren.

Günter Weseler