Thomas Demand
Parlament, 2009
Künstler/in
Thomas Demand
Titel
Parlament
Entstehungsjahr
2009
Technik und Abmessung
C-print, 180 x 223 cm
Erwerbungsjahr
2010
Erwerbung der Stiftung
„Ich sehe mir oft auf Phoenix Bundestagsdebatten von früher an, mit Helmut Schmidt, Franz Josef Strauß, Herbert Wehner. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass es für die Kameras nur drei Blickwinkel gab, einmal die Totale von links, einmal von rechts oben und den Blick ins Plenum. Diese Reduzierung hat aus dem alten Bundestag eine Ikone gemacht. Als man die Blickwinkel festgelegt hat, ging es natürlich nicht um ästhetische Fragen, sondern schlicht darum zu zeigen, wer was gesagt hat. […] Die Bilder habe ich im Kopf, wenn ich an den Bundestag denke: Kanzler Schmidt studiert Akten. Kohl sitzt selbstzufrieden mit verschränkten Armen da und guckt ins Plenum. Manchmal ist der Kanzler nicht da, dann bleibt der Stuhl leer, immer sichtbar durch den festgelegten Blickwinkel. Die Wirkung dieser Einstellung ist enorm: Die Akteure, die auf dem Stuhl Platz nehmen, wechseln zwar, aber der Stuhl bleibt. […] In Berlin ist das anders, der Glasbau lädt ein, von allen Seiten zu fotografieren und zu filmen, was einerseits schön ist. Andererseits wirkt dadurch die Macht an diesem wichtigen Ort zerfasert. […] Nehmen Sie die Gestaltung des Podiums, die goldenen Knöpfe, die Holzbalken, die Wertigkeit ausstrahlen sollen, Stabilität. Die Knöpfe sind natürlich nicht aus Gold, sondern aus Messing, das Holz ist auch billig, aber man spürt, es war damals wichtig, ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Die Gestaltung verströmt eine gedämpfte, schwere, ja melancholische Stimmung, das hat mich interessiert. Im Gegensatz zu dem aufgeräumten Königsblau der Sitzbezüge heute. Die Bauherren des Bonner Parlaments hatten andere Zeiten erlebt.“
Wenn wir davon ausgehen, dass es kollektive Bilder einer Gesellschaft und Zeit gibt, dann ist dieses mit Sicherheit eines davon, und zwar für die Nachkriegsgesellschaft der BRD. Thomas Demands Blick konzentriert sich auf einen kleinen Ausschnitt des Bundestags in Bonn. Neutral betrachtet - genauer unter Abzug unseres kollektiven visuellen Gedächtnisses - handelt es sich um ein beliebiges und wenig repräsentatives Bildfeld. Erst durch die Resonanz, die Demands Werk in uns auslöst, erhält das Bild seine Spezifik.