Max Liebermann war bereits ein weithin berühmter Maler, als er die Reihe seiner Gartenbilder begann. Über mehrere Jahrzehnte hinweg hatte er seine Sommer in Holland verbracht. Hier fand er die Motive für seine naturalistischen Werke und hier wandte er sich in den neunziger Jahren zunehmend impressionistischen Tendenzen zu. Der über Sechzigjährige dann erschloß sich ab 1910 am Wannsee ein neues Lebensumfeld und bereicherte mit über 200 Gartenbildern sein Werk um eine ganz andere Komponente.
1909 hatte sich Liebermann das Grundstück am Großen Wannsee in Berlin erworben, im folgenden Jahr ließ er sich ein vornehm schlichtes, von klassizistischen Vorbildern beeinflusstes Haus darauf errichten und in stetem Austausch mit seinem Freund Alfred Lichtwark, dem Direktor der Hamburger Kunsthalle, einen hoch modernen, geometrisch-formalen Garten anlegen. Ab 1914, veranlasst auch durch den Ersten Weltkrieg, verbrachte er seine Sommer in Wannsee und hielt nun die immer gleichen Partien seines Gartens in immer neuen Gemälden und Pastellen fest. Ein ganzer Werkblock entstand so auf engstem Raum. Diese Bilder entziehen sich der stilistischen Einordnung, die dem alten Liebermann auch bereits völlig gleichgültig geworden war.
Wohl ist der Ausgang vom Impressionismus noch erkennbar, mit Bildern von Manet, Monet und anderen Impressionisten schmückte Liebermann auch des Sommers die Wände seines Landhauses. Manche Werke dagegen, insbesondere jene des Staudengartens, nähern sich in ihrer üppigen Farbenpracht Werken des Expressionismus. Doch hielt Liebermann bewusst an der Objektfarbe fest, eher passte er die Bepflanzung seinen jeweiligen Farbwünschen an. Die Bilder der Blumenterrasse wiederum sind meist klar und deutlich konstruiert, von der Form her aufgebaut. Sie scheinen von den ästhetischen Erwartungen der zwanziger Jahre geprägt. Manche Darstellungen verschwinden in schimmernder Atmosphäre, andere bleiben sachlich kühl.
In seinen verbalen Äußerungen bezog sich Liebermann weder auf das optische Sehen der Impressionisten, „ein Auge und nur ein Auge sein“, noch auf das seelische Ausdrucksverlangen der Expressionisten. Er bezeichnete sich mehrfach als Pantheisten und bezog sich dabei auf Goethe, wie auf Spinoza, gleich vielen anderen jüdischen Intellektuellen seit Heinrich Heine. Liebermann suchte einen subjektiven Ausdruck in Achtung vor dem Gegenständlichen, dem späten Monet nicht unähnlich.
Lange Zeit standen Liebermanns Gartenbilder im Schatten der großen, bedeutenden, naturalistischen Figurenbilder, wie den Flachsspinnerinnen oder der Schusterwerkstatt, die noch heute zu den Glanzlichtern der ständigen Ausstellung in der Nationalgalerie gehören. Bei der großen Liebermann-Ausstellung 1997 in der Alten Nationalgalerie fielen sie gegenüber den großen Kompositionen scheinbar ab. Nun also ist den Gartenbildern eine eigene Schau gewidmet und sie entwickeln darin einen unerwarteten Glanz und malerischen Reichtum, wie man zuerst in der Hamburger Kunsthalle, der ersten Station der Ausstellung erfahren konnte.Die Gartenbilder Liebermanns erzählen wenig, sie sind meist menschenleer, undramatisch, auch unromantisch.
In gleich bleibend intensiver Zuwendung zu den immer selben Motiven, den Blumenstauden am Gärtnerhäuschen, der Blumenterrasse, der Birkenallee, spürte Liebermann Farben und Formen nach und der Malerei an sich, und das wirkt überraschend heiter und beglückend.