Als einen „gotischen Dom mit ans Himmelblau reichenden silbernen Schneespitzen“ erlebte Ludwig Richter den Watzmanngipfel während seines Aufenthaltes im Berchtesgadener Land. Wenig später entstand sein Gemälde „Der Watzmann“, welches wiederum Caspar David Friedrich veranlasste, eine eigene Version des eindrucksvollen Berges zu malen.
Diese wohl bedeutendste Hochgebirgslandschaft der Romantik konnte dank der mäzenatischen Unterstützung der DekaBank erneut für die Nationalgalerie gesichert werden. Friedrichs „Watzmann“ wurde 1937 aus jüdischem Besitz für die Sammlung gekauft und war restitutionspflichtig. Nach erfolgreichen Verhandlungen mit den Nachkommen des Vorbesitzers ist das großformatige Werk zurückerworben worden. Aus diesem Anlass widmet die Nationalgalerie Friedrichs Gemälde eine Ausstellung, die diese Gebirgslandschaft in ihren unmittelbaren zeitgenössischen Kontext stellt: Impulse, Einflüsse und Hintergründe zur Entstehung und Bedeutung des „Watzmann“ sollen aufgezeigt werden.
Die Konfrontation mit Werken vor allem von Malern aus dem Dresdner Kreis um Friedrich wird unterschiedliche künstlerische Auffassungen vor Augen führen, aber auch die gemeinsame Begeisterung für das Hochgebirge deutlich machen.
Feierliche Großartigkeit und vollkommene Einsamkeit ließen Friedrichs „Watzmann“ zum Inbegriff der romantischen Gebirgsdarstellung werden. Wie durch ein Fernrohr herangeholt scheint der Gipfel des Watzmanns in seiner leuchtenden, fast gläsernen Klarheit unmittelbar nahe, vermeintlich greifbar und zugleich entrückt, wie ein Symbol göttlicher Majestät. In eisige Unnahbarkeit gehoben und in ihrer ganzen, fast durchsichtigen Form idealisiert, schimmern die Felsenstirnen nahezu entmaterialisiert. Der lichte Berg erwächst kompositorisch aus einer einzigen, reich variierten Bewegung. Die pyramidale Form gipfelt im strahlenden Weiß des Eises, eine Bildidee, die Friedrich bereits 1824, ein Jahr vor der Entstehung des „Watzmann“ in seinem berühmten Bild „Eismeer. Die gescheiterte Hoffnung“ entwickelte.
Auf der Berliner Kunstausstellung 1826 führte Friedrich eine Begegnung beider Werke herbei. Hier wie dort ewiges Eis im hellen Licht, im „Eismeer“ mit Schiffbruch ein Naturschauspiel der Zerstörung, beim „Watzmann“ der Berg entrückt vor blauem Himmel. Beides sind Bilder der Erhabenheit und des Schreckens, von Naturgröße und Naturgewalt, jenseits menschlicher Fassungskraft. Der Hamburger Kunsthalle ist es zu danken, dass das „Eismeer“ erneut gemeinsam mit dem „Watzmann“ in Berlin gezeigt werden kann.
Caspar David Friedrich, der mit dem „Watzmann“ die wohl bedeutendste Hochgebirgslandschaft der Romantik schuf, hat die zu seiner Zeit noch weitgehend unberührte wilde Bergwelt der Alpen selbst nie gesehen. 1774 in der Hafenstadt Greifswald geboren, wuchs Friedrich an der Pommerschen Ostseeküste auf. 1798 ließ sich der 24jährige Künstler in der sächsischen Residenzstadt Dresden nieder, wo er bis zu seinem Tode 1840 lebte, unterbrochen von einigen Reisen an die heimatliche Ostseeküste, ins Riesengebirge und in den Harz. Eine für 1808 geplante Reise in die Schweiz, in das legendäre „Land der Freiheit“ und der „erhabenen Natur“ des Hochgebirges, kam nicht zustande.
Seit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine umfassende naturwissenschaftliche und künstlerische Erkundung der Alpen begonnen hatte, besaß kein Gebirge in Europa eine größere Anziehungskraft. Nunmehr gewährte die vermeintliche Regellosigkeit der Alpen dem geologisch Interessierten Einblick in die elementaren Gesetzmäßigkeiten dieser faszinierenden Ur-Natur. Künstlerische Beschreibung, wissenschaftliche Erforschung und literarische Verklärung beförderten eine europaweite Alpen-Begeisterung.