Ernst Ludwig Kirchner
Max Liebermann in seinem Atelier, 1926/28

Künstler/in
Ernst Ludwig Kirchner

Titel
Max Liebermann in seinem Atelier

Entstehungsjahr
1926/28

Technik und Abmessung
Öl auf Leinwand, 80 x 70 cm

Erwerbungsjahr
2014

Erworben aus Mitteln der Erbschaft von Frau Manuela Müller

In einem Brief vom 5. März 1926 berichtete Ernst Ludwig Kirchner von einem Besuch bei seinem Malerkollegen in dessen Berliner Haus am Pariser Platz: "Ich war beim alten Liebermann, der doch schon sehr alt wird und im Getriebe kaum mehr viel mitsprechen kann. Er ist komisch eitel, aber er hat natürlich die Weisheit des Alters."

Die Hommage des Expressionisten an den Doyen des deutschen Impressionismus zeigt den Künstler in seiner häuslichen Umgebung am Pariser Platz. Nichts deutet auf Liebermanns Tätigkeit als Maler hin: er erscheint im braunen Straßenanzug vor einem großen Flügel mit glühend roter Oberfläche, auf dem zwei große Blumensträuße stehen. Hinter ihm ist durch die Fenster der Pariser Platz zu erkennen – dazwischen ein Stück Wand, das wie eine Säule wirkt, die zugleich auf Liebermanns Schultern zu ruhen scheint. Tatsächlich spielte Liebermann eine tragende Rolle – in der damaligen Kunstwelt wie auch für Kirchner. 1922 hatte er sich in seiner Eigenschaft als Präsident der Preußischen Akademie der Künste für die Aufnahme Kirchners in die Institution eingesetzt, die jedoch erst 1931 zustande kam.

Das Gemälde stammt aus der Spätzeit Kirchners, der nach seiner Zeit bei der Dresdener Brücke (1905–11) und den darauf folgenden Jahren in Berlin 1917 in die Schweizer Berge gezogen war, wo sich sein Malstil allmählich beruhigte. An die Stelle aufgewühlten Berliner Straßenszenen traten jetzt Bilder in einem farbsatten, abstrahierten Stil, in denen sich die lebensnahe Dynamik zu raumloser Ornamentik verfestigte und ihre Ausdruckskraft weiter stärkte.

Für die Sammlung der Nationalgalerie ist dieses Spätwerk eine eindrucksvolle Erweiterung ihres bedeutenden Kirchner-Bestandes, zu dem auch Kirchners berühmter Potsdamer Platz von 1914 gehört.

Kyllikki Zacharias