Hans Arp
Dada-Relief, 1917

Künstler/in
Hans Arp

Titel
Dada-Relief

Entstehungsjahr
1917

Technik und Abmessung
Holz, 24,5 x 28 x 6 cm

Erwerbungsjahr
1979

Die Erwerbung der drei Reliefs von Hans Arp und der drei Werke von Kurt Schwitters stellten eine wesentliche Bereicherung der Sammlung der Neuen Nationalgalerie dar, konnte mit diesen bedeutenden Materialmontagen des Dadaismus doch eine bis dahin vorhandene Lücke in der Präsentation der Kunst des 20. Jahrhunderts geschlossen werden.

Hans Arp gehörte zu den Mitbegründern der dadaistischen Bewegung: 1915 war er nach Zürich gekommen, um hier mit anderen Gleichgesinnten neue künstlerische Antworten auf die Zeitereignisse zu finden. „Angeekelt von den Schlächtereien des Weltkrieges 1914, gaben wir uns in Zürich den schönen Künsten hin. Während in der Ferne der Donner der Geschütze grollte, sangen, malten, klebten, dichteten wir aus Leibeskräften. Wir suchten eine elementare Kunst, die den Menschen vom Wahnsinn der Zeit heilen, und eine neue Ordnung, die das Gleichgewicht zwischen Himmel und Hölle herstellen sollte.“ ln Zürich lernte Arp 1915 auch seine spätere Frau, Sophie Taeuber, kennen, die mit ihren textilen Gestaltungen von nachhaltiger Wirkung auf seine Arbeit gewesen ist: „Die klare Ruhe der vertikalen und horizontalen Kompositionen beeinflussten die barocke, diagonale Dynamik meiner abstrakten ‚Gestaltungen‘. Eine sanfte Stille strömte aus ihren Farben- und Formenbauten.“ Sie beschlossen, in ihren Bildern „die Ölfarbe nicht mehr zu verwenden. Wir wollten jede Erinnerung an die Ölfarbe vermeiden. Das Ölgemälde schien uns einer überheblichen, anmaßenden Welt anzugehören.“

So setzte in dieser Zeit, um 1916/17, die umfangreiche Serie seiner bedeutenden, von Ordnung und Zufall gleichermaßen bestimmten Holzreliefs ein, die in ihrer ambivalenten Ausprägung zwischen Gestalt und Zeichen zu bildnerisch-poetischen Formsignalen einer bewußt intuitiven Symbolfindung geworden sind. Eine entscheidende Anregung für diese aufeinandergeschraubten Reliefmontagen, deren Teile Arp nach Vorzeichnungen oder Papierschnitten von einem Schreiner aussägen ließ, ging für ihn vom Formenreichtum der Natur aus. So berichtete er über einen Aufenthalt in Ascona im April 1917: „ln Ascona zeichnete ich mit Pinsel und Tusche abgebrochene Äste, Wurzeln, Gräser, Steine, die der See an den Strand gespült hatte. Diese Formen vereinfachte ich und vereinigte ihr ,Wesen‘ in bewegten Ovalen, Sinnbildern der ewigen Verwandlung und des Werdens der Körper.“

Es ist der lebendige Klang der Formen, der Arp zu seinen Kompositionen animiert, die spielerisch anmuten, tatsachlich aber sorgsam ausbalancierte Gefüge darstellen. Aus dem Rhythmus organisch verspannter Formverläufe heraus erwächst ein fließender Wechsel unterschiedlich gestaffelter Flächensegmente, die trotz ihrer starken Abstraktion an Impulse der Natur oder der Landschaft erinnern; deshalb sprach Arp auch nicht von abstrakten Werken, sondern verwendete bewusst den Terminus ,Konkrete Kunst“. Nur vom bewegten Umriss und von gleichbleibender Farbigkeit bestimmt, wirkt die einzelne Form in ihrer leicht unregelmäßigen, immer an der gleichsam plastischen Rundung orientierten Grenzsetzung wie ein einfaches elementares Zeichen für organisches Sein. Erst mit der Überlagerung dieser unterschiedlich großen, farbigen „Schatten“ entwickelt sich ein beziehungsreiches Geflecht von Spannungen, das - meist auf ein Zentrum bezogen - vor allem aus der sich ständig vollziehenden Veränderung im Verhältnis von Figur und Grund seine bewegte Intensität erhält.

Arp gestaltet mit den in sich geschlossenen Holzscheiben ein vergleichsweise offenes Feld, in dem wie in einem nicht enden wollenden Vorgang Formen ineinandergleiten oder sich als individuelle Gestaltformationen herausheben. Nur der umspannende Kontur der Grundplatte und die Verläufe der oberen Schicht sind in Gänze sichtbar und bilden damit haltgebende Ruhezonen, während die Zwischenformen in den Konflikt der Überschneidung, der potentiellen Fragmentierung und damit des Sich-Behauptens eingebunden sind. Bei aller prinzipiellen Harmonie dieser von einer sehr reinen Farbigkeit und Kräften des Wachstums getragenen Gestaltverwandlungen entsteht durch die Über- und Unterordnung eine innere Dramatik, die so etwas wie das Hin- und Herwogen von Lebensenergien symbolisiert. Es ist der Widerstreit zwischen Sperrigkeit und Schwingung, der diesen Flächenschichtungen von Hans Arp ihre besondere Anziehungskraft verleiht.

Fritz Jacobi