Raimund Kummer
On Sculpture, 1979-2017

Künstler/in
Raimund Kummer

Titel
On Sculpture

Entstehungsjahr
1979-2017

Technik und Abmessung
444 Fotografien, 6.660 Kartons; Installationsmaß: 4,00 x 15,00 x 35,00 m

Erwerbungsjahr
2017

In den ausgehenden 1970er-Jahren identifizierte der Berliner Bildhauer Raimund Kummer (geb. 1954) sich im Realraum plastisch manifestierende Phänomene als unverbrauchtes Material und Gegenstand der Kunst. Seine Interventionen im urbanen Stadtraum sowie die damit verbundenen, simultan entwickelten Veröffentlichungsformen und -strategien verdanken sich einem Kunstverständnis, das den Entstehungsort des Kunstwerks und dessen Veröffentlichung nicht mehr trennt.

„Das Wesensmoment von Kummers Werk ist die sich im Raum abspielende Sinneserfahrung des Betrachters […] Bereits die Arbeit Skulpturen in der Straße (1978/79) konnte man als bildnerische Entsprechung des erstmals in James Joyces Ulysses sprachlich gefassten Bewusstseinsstrom (stream of consciousness) verstehen. Dieser speist sich in seiner lückenhaften Sprachform vor allem aus dem für Kummer wichtigen Fragment, dem Nichtvollendeten, das wiederum die Sehnsucht nach nóstos nährt, einer wie immer gearteten Heimkehr in ein Ideal oder eben einer Vollendung. […] Die Arbeit On Sculpture (1979-2017) ist […] zunächst ein „Album“ (von lat. albus für weiß) im ursprünglichen Sinne des durch die Kartons repräsentierten Leerseins, das gefüllt werden muss. Auch hier sind der nóstos und, im Abschreiten der ausgelegten Fotografien, Joyces Bewusstseinsstrom für eine utopische Aktivität ausschlaggebend.

Natürlich könnte man behaupten, dass auch traditionell gerahmte Bilder an der Wand eine schreitende Aktivität verlangen, also das Zeitlich-Räumliche ihrem Betrachten bereits innewohnt. Gewöhnlich aber blenden wir jene räumliche Erfahrung aus, die sich durch die Sockel oder Türme der Schachteln, deren oberste Öffnung nicht als herkömmlicher Rahmen funktioniert, geradezu aufdrängt. Der Blick nach unten und das Abschreiten von plastischen Körpern vermittelt eine andere Zeit-Raum-Erfahrung als lineare „Wandbilder“. Es handelt sich um „begehbare Archive“ oder besser noch um ein begehbares Werkverzeichnis, das einer Umkehrung der Miniaturisierung des tragbaren Œuvres gleicht, das Marcel Duchamp in seiner berühmten Boîte-en-valise veröffentlicht hat. Dabei sind die Fotografien durchaus keine Werkreproduktionen oder beliebigen Bilder, die lediglich den Fluss des Betrachtens unterstützen, sondern Aufnahmen im Sinne künstlerischer Fotografie, die mit einem Verweilen rechnen.“

Eugen Blume